Samstag, 27. November 2010

Heimweh hat man nicht nach verlorenen Orten, man hat es immer nur nach einer verlorenen Zeit!

Jetzt bin ich schon ueber 3 Monate hier in Ecuador und es wird schon Zeit fuer meinen ersten Zwischenbericht fuer das WELTWAERTS-Programm, den ich dann spaeter auch hier auf dem Blog veroeffentlichen werde!

Leider gibt es im Moment viele Probleme in dem Projekt, in dem ich arbeite. Das Projekt wird von den Freiwilligen hier geleitet, obwohl wir eigentlich nur zur Unterstuetzung dienen sollten.
Daraus resultieren fuer uns viel zu lange Arbeitszeiten, so gut wie keine Freizeit und die Verantwortung fuer 18 Jugendliche. Auch die Zusammenarbeit mit unserem Chef,  mit dem Psychologen, der Sozialarbeiterin und den anderen Freiwilligen als Team klappt nicht immer optimal.

Es ist schon oefter vorgekommen, dass unser Chef James vor den Kindern schlecht ueber uns geredet hat. Fuer uns als Freiwillige ist es sowieso schon schwierig Respekt von den Kindern zu erhalten, da sie aus ziemlich schwierigen Verhaeltnissen kommen und dementsprechend keine vorbildliche Erziehung genossen haben. Wenn James dann auch noch schlecht ueber uns redet nutzen die Kinder das natuerlich fuer sich aus. Sie meinen dann das Recht zu haben unsere Arbeit zu kretisieren und uns zu sagen, was wir zu tun haben.

Ausserdem haben wir hier sehr wenig Rechte. Wir stehen in vielen Dingen UNTER den Kindern. So duerfen wir beispielsweise nicht die Musikanlage benutzen, denn sie koennte ja kaputt gehen, die Kinder jedoch schon. Auch beim Essen kommen zuerst die Kinder und dann wir zum Zuge. Ausserdem duerfen die Kinder laenger und oeffter das Internet benutzen.

Unser Chef meckert leider viel an unserer Arbeit rum und meint wir wuerden nicht genug arbeiten (bei einem Tag von ueber 13 Stunden!).

Ausserdem haben wir nun jetzt nur noch einen Schluesselbund fuer alle Freiwilligen, was heisst, dass wir staendig nach den Schluesseln suchen muessen und manchmal hat sie dann jemand aus Versehen mitgenommen, als er die Granja verliess.
Das Schluesselsuchen faengt schon morgens um 8h an (wir haben zwar bis 8:30 frei, aber nach 8h gibt es fuer uns kein Fruehstueck mehr, wenn dann ueberhaupt noch was da ist).
Die Koechin ist dann gerade zu Hause und die Kueche zu. Dementsprechend brauchen wir natuerlich die Schluessel, die natuerlich ueberall sein koennten. Wenn sie nicht aufzufinden sind koennen wir erstmal nichts essen.

Wir duerfen nun auch nur noch einmal in der Woche waschen. Jeder hat seinen festen Waschtag und das Waschpulver sollen wir jetzt auch selber bezahlen, mit dem Argument, dass es kaum mehr als ein Bier im Monat kosten wuerde. Wobei wir natuerlich keinen Alkohol konsumieren und keine Zigaretten bei uns rauchen duerfen. James selbst natuerlich schon, obwohl er behauptet es nicht zu tun.
Die Regeln fuer die nationalen Freiwilligen sind noch strenger. Sie duerfen  generell nicht rauchen und nicht trinken und keine Freundin haben. Ausserdem haben sie nie frei (keine Wochenenden), ausser an Weihnachten fuer ein paar Tage.


Desweiteren kommt James auch immer ohne anzuklopfen in unser Haus gestuermt, wenn ihn wieder irgendetwas stoert. Was bedeutet, dass wir noch weniger Privatsphaere haben, als wir sowieso schon haben, weil immer irgendein Kind an unsere Tuer klopft und etwas moechte.

Naechste Woche Montag oder Dienstag haben wir ein Gespraech mit allen Mitarbeitern, dem Padre, Vladimir (einer wichtigen Person aus dem Projekt aus Quito) und der Leiterin von meiner Organisation hier.
Wenn sich die Umstaende nicht verbessern, dann ziehen Ciko und ich in eine Gastfamilie, um nicht staendig arbeiten zu muessen. Wenn das trotzdem noch nicht hilft, dann wechseln wir das Projekt in ein anderes Projekt nach Quito.

Das Alles soll sich bis zum 20. Dezember entschieden haben.

Also bis dann, liebe Gruesse!

Donnerstag, 4. November 2010

Mein Alltag im Projekt

Hallo ihr Lieben!

Damit hier auf meinem Blog nicht der Eindruck entsteht, ich wuerde hier nur reisen und das Leben geniessen, schreibe ich euch heute ein wenig von meinem Alltag hier im Projekt "Chicos de la calle" der Salesianos auf der Granja (Farm) Don Bosco in der Naehe von Ambato.

Mein Tag beginnt um halb acht, wenn ich aufstehe. Danach mach ich mich fertig und fruehstuecke (oft leider Reis!), um dann um halb neun ins Oficina (Buero) von der Sozialarbeiterin Diana zu gehen. Sie teilt mir dann mit, was es am Vormittag zu tun gibt. Die Kinder sind zu der Zeit meistens in der Schule, obwohl sie ziemlich oft aus den verschiedensten Gruenden frei haben. Wenn das der Fall ist oder wenn neue Jungs ins Projekt gekommen sind, die noch keinen Schulplatz haben, muessen die anderen vier Freiwilligen (Hermel, Andres, Kevin, Ciko) und ich die Kinder beschaeftigen. Dann machen wir beispielsweise mit den Kindern Sport, rauemen die Haeuser auf, putzen oder betreuen die Kinder bei den Hausaufgaben. Wenn die Kinder allerdings in der Schule sind, teilt mir Diana andere Aufgaben zu. Oft muss ich zur escuela (Grundschule) oder zum colegio ( weiterfuehrende Schule), um mich zu erkundigen, ob die Jungs, die auf der Granja leben und  zwischen 11 und 16 Jahre alt sind, sich gut in der Schule verhalten und wie ihre Noten sind. Dafuer gehe ich meistens mit einem der nationalen Freiwilligen zur Schule. Alleine wuerde ich noch nicht alles verstehen, was die Lehrer erzaehlen. 

Einmal bin ich auch zusammen mit meinem Chef  James und Hermel zu einer escuela gefahren. Da der Chef mit war, sind wir mit dem Auto gefahren. Sonst laufen wir oder nehmen den Bus. Auf jeden Fall sassen Hermel und James, der oft auch nur "injeniero" genannt wird, weil er studiert hat, vorne. Wir unterhielten uns ein wenig und James fragte mich, ob ich denn eigentlich ausziehen wuerde, wenn ich wieder nach Hause kaeme. Daraufhin sagte ich, dass ich nach diesem Jahr gerne studieren moechte und deshalb in eine andere Stadt ziehen werde und dann ohne meine Eltern leben werde. Ausserdem sagte ich, dass das in Deutschland so ueblich sei. (In Ecuador leben die meisten Frauen bei ihren Familien, bis sie heiraten und dann mit ihrem Mann zusammen ziehen. Deswegen lebt beispielsweise die Sozialarbeiterin (24 Jahre) auch noch bei ihrer Familie.)
Daraufhin fing James an zu lachen und stubste Hermel an und prustete lachend: "Ach guck, das ist ja wirklich so wie in den Filmen!"

Falls wir morgens nicht in die Schule muessen, fahre ich mit einkaufen, bereite den weiteren Tag vor, helfe in der Kueche, sortiere die Akten der Kinder oder mache etwas am PC. Insgesammt mache ich zwar eigentlich immer den kompletten Morgen etwas, aber meine Arbeit koennte genau so gut, die Sozialarbeiterin machen oder der Psychologe, der leider Hauptberuflich in Facebook arbeitet, anstatt sich ernsthaft um die Probleme und Angelegenheiten der Kinder zu kuemmern.
Auf jeden Fall haette ich die Vormittage gerne frei, denn mein Tag faengt hier gerade erst an. Gina, die Chefin von Vase, meiner Organisation hier in Ecuador wird in den naechsten Tagen mit dem Padre (Pater) der Salesianos reden und fragen, ob Ciko und ich die Vormittage frei bekommen.

Um 12:45h bereiten wir dann den Essensraum fuer die Jungs der Granja und ca. 70 weitere Schulkinder vor. Das heisst: Stuehle runterstellen, Tische abwischen, Becher und Loeffel verteilen, Jugo (Saft) und Suppe verteilen und das Essen aus der Kueche rueber tragen.
Um 13:15 sollen sich dann die Kinder vor dem Essensraum formatieren. Die Jungs in eine Reihe, die Maedchen in einer Reihe und die Jungs der Granja ( es sind nun 20, da wieder 2 neue gekommen sind) in eine extra Reihe. Damit sie wissen, wann es Essen gibt, wird die Sirene, die sich anhoert wie eine Feueralarm und ziemlich laut ist, aktiviert.
Nachdem sich alle formatiert haben, teilen wir manchmal noch Haendedesinfektionszeug fuer die Kinder aus, dann wird gebetet und manchmal noch ein kleines Spiel gespielt. Danach duerfen die Kinder dann in den Essensraum und wir verteilen das Essen, was immer Reis mit Huehnchen und ein wenig Salat ist. Wenn jedes Kind etwas gegessen hat, gehen wir  mit dem uebrig geblebenen Essen rueber in die Kueche und essen selber etwas. Das Essen ist dann natuerlich meistens mehr oder weniger kalt und viel Zeit zum Essen bleibt auch nie, denn um 14:10 geht es schon mit der Hausaufgabenbetreuung weiter. Dort habe ich eine tolle Gruppe, bestehend aus ca. 10 Kindern ( auch Maedchen!!!). Die Kinder meiner Gruppe sind ca. 9 Jahre alt und in der dritten Klasse. Die Hausaufgabenbetreuung macht sehr viel Spass, auch wenn es teilweise schwierig fuer mich ist, ihre Hausaufgaben und Fragen zu verstehen. Das Ganze dauert dann bis 15:45, wobei die Kinder spielen gehen koennen, wenn sie fertig sind (eigentlich sollen sie dann lesen oder lernen, das funktioniert aber natuerlich nicht und finde ich auch nicht sinnvoll, die Kinder wollen auch mal spielen).
Da vor der Granja eine grosse Strasse ist, die die Kinder ueberqueren muessen, muss jeden Tag ein anderer Freiwilliger mit zur Strasse gehen. Vorher muessen sich die Kinder wieder formatieren und beten, was ziemlich nervig ist, weil die Kinder keine Lust haben zu kommen und sich zu formatieren.

 Generell ist jeden Tag ein Freiwilliger verantwortlich dafuer, dass alles funktioniert. Mein verantwortlicher Tag ist immer Donnerstags. An sich finde ich das, mit den verantwortlichen Tagen schon sinnvoll, allerdings wird man dann auch schnell fuer Dinge verantwortlich gemacht, die man nicht haette verhindern koennen oder die andere verbockt haben. Man kann ja nicht immer ueberall sein, dafuer ist die Granja auch einfach zu gross.

Um 16h geht es dann weiter mit den AGs. Dienstags und Donnerstags haben Ciko und ich zusammen eine Grafitty-Ag gegruendet, die wirklich gut bei den Jungs ankommt. Zunaechst ueben sie noch Zeichnen und in ein paar Wochen wollen wir dann Sprayen. Wenn die AG vorbei ist, wollen wir vielleicht eine Zirkus-AG gruenden, weil die Jungs zum Beispiel ziemlich gut jonglieren koennen und es auch gerne machen (vielleicht haben so auch manche frueher ihr Geld an roten Ampeln auf der Strasse verdient?) An den anderen Tagen ist Sport, wobei die Jungs dann meistens Fussball spielen. Manchmal fuehren wir auch Aktionen durch. Wir waren schonmal mit ein paar Kindern im Zentrum ein Eis essen. Ein anderes Mal haben wir eine Muellsammelakrion durchgefuehrt, wobei jedes Kinder Muellsaecke und eine Stunde Zeit bekam. Am Ende wurden dann die Muellsaecke gewogen und die ersten drei Gewinner gekuehrt. Oder wir arbeiten auf den Feldern mit den Kindern oder pflanzen etwas.

Zwischendurch gibt es dann noch eine Art Kaffetrinken, das entweder aus einer Frucht oder Popcorn besteht, dass der verantwortliche Freiwillige zubereiten oder holen, aber vor allem Austeilen muss. Ciko und ich haben abgefangen aufzuschreiben, wer schon etwas bekommen hat, weil die Kinder sonst immer versuchen mehr zu bekommen oder behaupten sie haetten noch nichts gehabt. Wenn etwas uebrig bleibt muessen wir auch immer gut drauf aufpassen, weil die Kinder leider ziemlich schnell und gut Dinge verschwinden lassen koennen.

Nach den AGs muessen die Jungs sich dann um 18h duschen, wozu sie leider gar keine Lust haben. Viele verstehen auch nicht, warum man sich denn duschen muss und haben ein anderes Hygieneverstaendnis und halten das Argument, dass sie nicht gut riechen weder als beleidigend noch als ueberzeugend. Somit ist diese Zeit meistens die stressigste. 

Um ca. 19:00 gibt es dann Essen, das von einer anderen Koechin, als morgens und mittags zubereitet wird, die total lieb ist. Danach muessen die Kinder, die den Dienst haben noch beim Kuechendienst helfen.

Nach dem Essen ist dann noch das "Buenas noches", bei dem wir Armbaender machen, den Kindern ein wenig Deutsch und Englisch beibrigen, etwas basteln, einen religioesen Film gucken, Gitarre spielen und singen oder Mandalas malen, je nachdem, welcher Tag es gerade ist.
Das Mandala malen zur entspannenden Musik hat wirklich gut funktioniert. Die Jungs waren relativ leise und ruhig. Falls noch jemand eine gute Idee hat, was wir beim buenas noches machen konnten, bin ich immer fuer gute Tips dankbar ;).

Um 22h muessen die Kinder dann schlafen.

Wir haben das "Systema de Ficha", vergleichbar mit dem aus der Paedagogik bekannten TOKEN-System, der vorherigen Freiwilligen uebernommen. Das heisst, die Kinder bekommen fuer alles, was sie am Tag machen, also vom buenas dias bis zum buenas noches Smileys, die entweder gluecklich, normal oder traurig gucken. fuer 20 kinder und ca 8 Kriterien ist das ziemlich viel Arbeit. Die Tafel, auf die wir die ganzen Smileys kleben ist ca 1,2 mal 1,8m gross und hat dem entsprechend sehr viele Smileys. Am Ende der Woche bekommen die Gewinner des Systems dann einen Preis, z.b. Pizza oder Pfannekuchen. Mit schlechten Smileys zu drohen klappt daher recht gut, wenn die Kinder wieder Dinge machen, die sie nicht tun sollen. Ein Kind hat sich seit wir dieses System eingefuehrt haben um 180 Grad gewendet und letztes Mal sogar gewonnen! Auf jeden Fall muessen wir dann abends noch die Smileys aufkleben, wobei dabei oft einer der Freiwilligen einschlaeft (die nationalen Freiwilligen muessen schon um 6h aufstehen, um die Kinder zu wecken).

Auf jeden Fall habe ich deswegen keine Zeit, um mal aus dem Projekt zu kommen und hoffe sehr bald die Vormittage frei zu bekommen, um dann irgentetwas sportliches zu tun ( 3 mal Reis am Tag haben seine Spuren hinterlassen), nach Ambato ins Zentrum zu fahren und zur Sprachschule zu gehen.

So nun wisst ihr, was ich hier den ganzen Tag so treibe. Um so wichtiger sind mir deswegen auch die Wochenenden, an denen ich hier mal weg komme, denn im Projekt zu wohnen ist schon anstrengender, lauter und stressiger, als ich es mir vorgestellt hatte. Generell ist es hier als einzige Freiwillige unter pubertierenden Jungen sehr anstrengend und muehsam. Nach dem Jahr bin ich auf jeden Fall abgehaertet, was Hygiene, dumme Sprueche, Gewalt und so einiges mehr angeht

Nun zu meinem letzten Wochenende! Am Montag und Dienstag waren Feiertage und so habe ich am Samstag gearbeitet um dann am Montag noch frei zu bekommen. So ging es dann am Samstag abend aus fuer mich nach Cuenca. Ich bin das erste mal so lange (7h) alleine Bus gefahren. Dort habe ich mich dann mit fast allen Freiwilligen aus Quito getroffen. Am langen Wochenende waren in Cuenca Fiestas mit viel Musik, Konzerten, Parties und tollen Maerkten. Ausserdem  waren wir in einem Naturschutzpark und sind dort auf einen Berg gestiegen, was bei der Hoehe ziemlich anstrengend war und teilweise auch ziemlich steil.  


Das Wochenende war rundum super! Ich bin am am Mittwoch abend wieder zurueck gefahren und muss heute wieder arbeiten. 

Jetzt ist der Eintrag sowieso schon viel zu lang geworden und meine Internetverbindung weg. Mal schauen, wann ich den Eintrag dann veroeffentlichen kann! 

Liebe Gruesse nach Deutschland!