Mittwoch, 16. Februar 2011

Mein Sechsmonatsbericht fuer den ICJA & Projektfotos !

Nun sind drei weitere Monate und somit schon die Haelfte meines Freiwilligendienstes in Ecuador vorueber und es ist Zeit fuer meinen zweiten Zwischenbericht.
Seit meinem ersten Bericht hat sich einiges in dem Projekt, in dem ich arbeite veraendert:
Es wurden einige Bauarbeiten vorgenommen und so gibt es nun auf der Farm eine Kapelle und die im Projekt lebenden Jungen haben ein neues Wohnhaus bekommen.
Nun leben fast alle Kinder zusammen in einem Haus und schlafen in einem Zimmer in Stockbetten. Nur die vier aeltesten, bzw. selbststaendigsten Kinder leben in einem der vorherigen Wohnhaeuser und haben jeweils ein eigenes Zimmer.
Ausserdem wurde an einer anderen Stelle das Geld gekuerzt und so koennen die externen Kinder seit diesem Jahr nicht mehr zum Essen in die “Granja” kommen. Sie haben trotzdem die Moeglichkeit zur Hausaufgabenbetreuung zu erscheinen. Diese Leistung, hat jedoch niemals ein Kind in Anspruch genommen, denn die Motivation ins Projekt zu kommen wurde durch die warme Malzeit gepraegt.
Durch diese Veraenderung hat sich auch mein Tagesablauf geaendert.
Ich muss nun nicht mehr beim Vorbereiten des Essensraums helfen, denn die Jungen, die in der Farm leben essen in der Kueche.
Desweiteren besteht meine Hausaufgabengruppe nun nur noch aus den drei Kindern des Hausmeisters und deren Cousine. Trotzdem ist die Hausaufgabenbetreuung durch die wenige Anzahl der Kinder nicht leichter geworden, denn die Kinder haben grosse Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, haben ein sehr schlecht ausgepraegtes Zahlenverstaendnis, koennen nur sehr schlecht oder gar nicht Lesen und Schreiben und brauchen deswegen jeder sehr viel Hilfe oder koennen die Hausaufgaben und die schulischen Anforderungen gar nicht alleine bewaeltigen.

Auch meine Wohnsituation hat sich geaendert. Ich bin aus dem Projekt ausgezogen und lebe nun in einer Gastfamilie. Dadurch habe ich nun auch feste Arbeitszeiten und arbeite im Durchschnitt nur noch 8 Stunden pro Tag.
Das Leben in meiner neuen Gastfamilie gefaellt mir sehr gut und obwohl ich noch nicht lange dort lebe fuehle ich mich dort schon richtig wohl und zuhause.
Durch das Leben mit Ecuadorianern habe ich auch das Gefuehl die Sprache besser zu lernen und die Kultur und das Leben der Menschen hier besser zu verstehen und mitzuerleben.

An den Wochenenden bin ich jedoch meistens nicht bei meiner Gastfamilie, sondern reise mit anderen Freiwilligen.
Einheimische Freunde zu finden finde ich schwierig. Jungen und Maenner zeigen viel Interesse an mir, aufgrund meines auffalend anderen Aussehends. Wenn ich alleine oder nur mit weiblichen Personen unterwegs bin wird mir viel hinterhergepfiffen und hinterhergeschrien. Oft werden dafuer ein paar Brocken Englisch aus dem Wortschatz der auf sich aufmerksam machenden Personen gesucht. Das finde ich ziemlich anstrengend und es zeigt mir, dass ich immer als “anders” gesehen werde und, dass ich auch wenn ich hier schon viele Jahre leben wuerde irgendwie nie richtig dazu gehoeren wuerde, sondern immer als “Gringa”(Begriff, der urspruenglich fuer die Maedchen und Frauen aus der USA verwand wurde und die heute alle weissen und reichen Menschen bezeichnet) gesehen wuerde.
Auch, dass ich oft als Tourist gesehen werde und manche Leute versuchen mit mir auf Englisch zu reden, obwohl mein Spanisch meistens um einiges besser ist als ihr Englisch, stoert mich sehr. Schliesslich lebe ich nun schon seit einem halben Jahr in Ambato,  kenne mich hier aus und bin nicht nur auf der Durchreise.
Dass ich aber oft als Touristin abgestempelt werde und auch meine Sprachkentnisse untergraben werden, hindert mich daran mich hier wirklich einzuleben.

Da das weltwaerts-Programm ein Lerndienst ist, stellt sich natuerlich die Frage, was ich waehrend meines Freiwilligendienstes gelernt habe.
Ich glaube im letzten halben Jahr in Ecuador viel dazugelernt zu haben. Ich befand mich oft in schwierigen Situationen, die ich mit meinen anfaenglich kaum vorhandenen Spanischkentnissen bewaeltigen musste.
Ausserdem habe ich gelernt, wie wichtig der Respekt in jeder zwischenmenschlichen  Beziehung ist und, dass man immer nur so viel Respekt von einer Person verlangen kann, wie man auch bereit ist zu geben. Wenn der Respekt verloren geht oder erst gar nicht aufgebaut wird ist es sehr schwierig eine normale Beziehung zu einem anderen Menschen zu fuehren. Als ich in das Projekt kam war es fuer mich sehr schwierig von den Kindern respektiert zu werden. Sie haben versucht ihre Grenzen auszzutesten und ziemlich viel Unfug gemacht. Es ist natuerlich schwierig fuer einen Jungen, der vielleicht nie den Respekt seiner ersten Bezugspersonen erhalten hat, anderen Achtung und Respekt zu schenken. Das ich heute mehr Respekt habe, merke ich daran, dass die Kinder mir beispielsweise keine Sachen mehr klauen wollen. Anfangs habe ich beispielsweise keinem der Kinder mein Handy gegeben und wollte auch nicht mit meinen Kartenspielen mit ihnen spielen, denn sie haetten die Karten geklaut.
Heute kann ich mein Handy oder meine Karten den Kindern geben und sogar den Raum verlassen ohne Angst haben zu muessen, dass mir meine Sachen geklaut werden. Das war anfangs undenkbar.
Dass die Jugendlichen mir nun mehr Respekt entgegenbringen sehe ich als einen persoenlichen Erfolg und auch als eine Weiterentwicklung meiner Faehigkeiten an.

Generell hatte ich viele verschiedene Probleme im Projekt, die sich leider nicht loesen liessen, sodass  ich nun das Projekt wechseln werde.
Trotzdem bin ich froh und dankbar ein halbes Jahr mit diesen jugendlichen Jungen, die einmal auf der Strasse gelebt haben, zusammengearbeitet zu haben. Natuerlich gab es schwierige Situationen und Momente und viele Problemsituationen. Doch Jugendliche sind auch sehr ehrlich und sagen, wenn ihnen etwas nicht passt, koennen aber auch sehr beleidigend sein. Dadurch habe ich gelernt nicht alles persoenlich zu nehmen und zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik zu unterscheiden. Denn konstruktive Kritik kann durchaus positive Veraenderungen bringen.

Desweiteren habe ich die Schicksale einzelner Jungen kennengelernt. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis einzelne Jugendliche das Vertrauen zu mir aufgebaut haben und sich mir oeffneten. Natuerlich musste ich auch ersteinmal einigermassen Spanisch sprechen koennen, um mich mit den Jungen ueber ernsthafte Themen unterhalten zu koennen.
Doch manche Jungen erzaehlten mir einen Teil ihrer Lebensgeschichte, die sehr traurig ist. Ueber das Leben alleine auf der Strasse, ohne ein Dach ueber dem Kopf, ohne Essen, ohne warme Kleidung, aber mit viel Angst im Dunkeln. Darueber von betrunkenen Menschen verpruegelt zu werden, weil sich diese ein wenig Geld von einem Strassenjungen erhoffen.

An einige Dinge im Projekt habe ich mich mit der Zeit gewoehnt. Zum Beispiel, dass es hier nicht so hygienisch ist, wie ich es aus Deutschland gewohnt war und, dass auch die Kinder nicht immer sauber sind oder unangenehm riechen.
An die hier herrschende Gewalt im Projekt habe ich mich jedoch immernoch nicht gewoehnt. Die Kinder pruegeln sich zwar haeufig nur zum Spass, doch aus Spass wird auch des oefteren Ernst und fuer mich ist es schwierig zu entscheiden, wann diese Grenze, die nur sehr schwammig definiert ist, ueberschritten wird.

Insgesamt glaube ich, dass meine Arbeit mit den Jugendlichen sinnvoll war. Ich konnte ihnen bei verschiedenen Dingen des Alltags helfen und so einen kleinen Platz in ihren Herzen gewinnen.

Nun freue ich mich auf mein neues Projekt und eine neue Herausforderung, bei der ich hoffentlich genau so viel lernen werde wie in dem ersten halben Jahr meines Freiwilligendienstes in Ecuador!