Freitag, 30. September 2011

Abschlussbericht für den ICJA


Seit meinem Zwischenbericht ist einiges passiert. Ich habe nach einem halben Jahr das Projekt gewechselt. Ich durfte in einer Schule für Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 25 Jahren, die körperlich oder geistig beeinträchtig waren, mithelfen. Es gab viele Kinder mit Down-Syndrom oder mit einer Gehirnlähmung. Die Kinder wurden in verschiedenen Klassen unterrichtet, wobei es Klassen für Kinder mit einer geistigen Behinderung gab und andere Klassen, in denen die Kinder mit einer körperlichen Behinderung gefördert wurden. Außerdem wurden die Kinder je nach Alter einer bestimmten Klasse zugeordnet. Es ging also nicht um die Leistung oder das geistige Alter eines Kindes. Dadurch war es für die LehrerInnen manchmal schwierig oder auch unmöglich die Kinder zielgleich zu unterrichten.
             Anders als in meinem ersten Projekt waren meine Arbeitszeiten in dieser Einrichtung nur von 8-13h. Dabei half ich den Kindern bei ihren Schulaufgaben, spielte mit ihnen, half ihnen beim Essen oder ich fütterte und wickelte oder half beim Gang auf die Toilette.
Während meiner Zeit in dieser Einrichtung habe ich in verschiedene Klassen mitgeholfen.
Die Schule war sehr gut ausgestattet, es gab kleine Klassen von sechs bis zwölf Kindern und in jeder Klasse einen studierten Lehrer, in manchen Klassen eine Frau, die die Lehrerin unterstützte und sauber machte. Die Kinder lernten nach ihren Möglichkeiten ein bisschen Lesen, Schreiben, Rechnen und Dinge des alltäglichen Lebens. Dazu gehörte zum Beispiel das Bett zu beziehen, (richtig) zu essen und am Waschstein zu waschen. Die älteren Kinder wurden auf die Arbeit in einer Fabrik vorbereitet. Sie lernten außerdem zu Kochen und verkauften ihre selbst hergestellten Snacks in den Pausen an SchülerInnen jüngerer Klassen.
 Das Projekt befand sich ebenfalls in Ambato, so dass ich bei meiner Gastfamilie wohnen bleiben konnte.

In der Zeit, in der ich bei meiner Gastfamilie wohnte, habe ich mich gut eingelebt. Ich hatte jedoch immer eine gewisse Sonderstellung und fühlte mich nie als wirkliches Familienmitglied.
Ich war mehr eine Art Freundin meiner Gastmutter. Sie war sehr an mir persönlich, meinem Leben, aber auch an meiner Kultur und meinem Herkunfsland interessiert. Außerdem konnte ich mit ihr über meine Probleme im ersten Projekt sprechen und hatte jemanden, der mich verstand. Andersherum hielt sie viel von meiner Meinung und fragte mich oft um Rat. Es war schön für sie, eine Mitbewohnerin zu haben und so nicht so häufig alleine zu sein. Für mich war es toll, dass sie mich überall hin mitnahm und mich in ihren Alltag integrierte. Es war auf verschiedenste Weisen ein interkultureller Austausch.
Im Nachhinein betrachtet bin ich froh in einer Gastfamilie gelebt zu haben. Dadurch habe ich die Kultur und das alltägliche Leben der Menschen viel besser verstanden. Außerdem habe ich so viel mehr Ecuadorianer kennengelernt. Denn bis zum Schluss fand ich es sehr schwierig einheimische Leute (vor allem in meinem Alter) kennenzulernen. Zwar waren die Menschen einerseits sehr interessiert an mir, weil ich ganz anders aussehe als sie, andererseits entstanden aus diesen Bekanntschaften keine Freundschaften.


Auch mein Spanisch wurde mit der Zeit immer besser. Durch die kürzeren Arbeitszeiten hatte ich auch mehr Zeit für den Spanischunterricht. Diesen gab mir eine Lehrerin bei sich zu Hause. Sie erzählte mir viel von sich selbst, aber auch über ihr Land. So lernte ich in den vielen Stunden, die ich bei ihr verbrachte nicht nur Spanisch, sondern auch noch mehr über mein Gastland.
Wenn ich am Nachmittag nicht bei meiner Spanischlehrerin war besuchte ich oft meine Gastcousine und ihre Mutter. Sie waren sehr gastfreundlich und freuten sich immer sehr über meinen Besuch. Am Ende meines Freiwilligendienstes, als ich schon nicht mehr im Projekt arbeitete, luden sie mich ein mit ihnen zu verreisen.
Sie zeigten mir viel von ihrem Land. Dabei merkte ich immer wieder, wie stolz sie auf ihr Land und auf ihren Präsidenten waren. Ein Nationalstolz, den ich aus Deutschland in dieser Form nicht kannte.
Außerdem bezahlten sie mir alles während dieser Reise. Ich empfand das als sehr großzügig und wollte es auch zunächst nicht annehmen. Für Sie ging es jedoch nicht um das investierte Geld sondern viel mehr darum noch einmal ein bisschen Zeit mit mir zu verbringen. Meine Gastcousine sagte dabei immer: „Wer weiß, wann du wieder in mein Land kommst.“.

Und dann war es so weit: Der Rückflug stand vor der Tür. Zunächst war es ein komisches Gefühl, nach einem Jahr in Ecuador mein Rückflugticket in der Hand zu halten und mich von meiner Gastfamilie zu verabschieden, mit der ich so viel erlebt hatte und die ich während des Jahres auch lieb gewonnen habe.
Der Abschied war, wie ich schon erwartet hatte, sehr tränenreich. Meine Gastcousine konnte leider nicht zum Flughafen kommen, um sich von mir zu verabschieden. Deswegen rief sie mich weinend an und wünschte mir noch einmal alles Gute für meinen Rückflug und für meine Zukunft. Ich war von der Emotionalität überwältigt. So schwer mir auch der Abschied fiel, umso mehr freute ich mich aber auch auf die Ankunft in Deutschland: Auf meine Freunde, meine Familie und auf all’ die Dinge, auf die ich in meinem Auslandsjahr verzichtet hatte.
Meine Gastcousine sagte mir eines Tages: „Da, wo du her kommst, das ist eine ganz andere Welt.“. Damals sagte ich ihr, dass es gar nicht so verschieden sei, dass wir auch in unseren Familien lebten, in Schulen gingen oder später studierten und arbeiteten.
Doch als ich dann in Deutschland am Flughafen ankam und zunächst auf die Toilette ging, musste ich an ihre Worte denken. Die Toiletten kamen mir penibel sauber vor. Alles, bis hin zum Seifenspender war mit einem Berührungsmelder versehen, das Toilettenpapier (es gab welches!) konnte ich in die Toilette schmeißen und aus den Wasserhähnen kam warmes Wasser!
Alles Dinge, die zum einen ziemlich überflüssig und zum anderen in Ecuador unvorstellbar gewesen wären. In Deutschland sind sie „normal“ und ich hatte sie zuvor nie hinterfragt.
In dem Moment fragte ich mich jedoch, wozu das alles nötig sei: Wer braucht warmes Wasser für die Hände und einen automatischen Seifenspender. In Ecuador hatten viele Menschen keinen fließenden Strom und keine eigene Wasserleitung und hier ist es ganz selbstverständlich.
Was mich sehr erstaunt, aber auch erschreckt hat war, dass ich mich sehr schnell wieder an einige Dinge gewöhnt habe. Andere Dinge weiß ich jetzt jedoch mehr zu schätzen. Dazu gehört auf jeden Fall, der Luxus eine Badewanne zu haben und der Moment, wenn ich die Dusche aufdrehe und ich weiß, dass es warmes Wasser geben wird. Egal zu welcher Uhrzeit ich dusche und egal, ob das Licht an ist oder nicht (In Ecuador half es manchmal, das Licht auszumachen, damit mehr Strom für die Elektrodusche blieb und das Wasser sich ein wenig erhitzte).
Außerdem schätze ich nun viel mehr das Essen. Es gibt eine sehr große Auswahl an Lebensmitteln in deutschen Supermärkten und es gibt von fast jedem Produkt eine günstige Variante. In Ecuador gab es im Supermarkt oft nur importierte, und dadurch teure Markenprodukte zu kaufen. Wenn ich nun in einen Supermarkt gehe bin ich immer noch erstaunt und erfreut über die große Auswahl.
Was ich nun auch noch zu schätzen gelernt habe ist die Sicherheit in Deutschland. Ich möchte nicht das Gefühl vermitteln, dass Ecuador ein unsicheres Land ist, jedoch war es in Ecuador zum Beispiel nicht üblich im Dunkeln alleine auf die Straße zu gehen. Da es jedoch schon relativ früh dunkel wurde schränkte mich das dort sehr in meiner Bewegungsfreiheit ein. Umso mehr freut es mich nun auch nach dem Ausbruch der Dunkelheit in Deutschland noch auf die Straße gehen zu können – und das sogar alleine.
Auch das Verkehrssystem kam mir anfangs viel geregelter vor. Bis heute bin ich erstaunt darüber, dass die Autos bei einem Zebrastreifen tatsächlich anhalten und den Fußgängern den Vortritt lassen.

Bei dem Abschlusscamp in meinem Gastland, welches der ICYE Ecuador (VASE) organisierte ging es ganz viel um das Thema „Zurückkehren und Ankommen“.
Viele erzählten von ihren Ängsten: Davon, dass ihre Freunde und ihre Familie ihre Situation vielleicht nicht nachvollziehen könnten oder andere Probleme auftreten würden.
Viele hatten auch die Befürchtung, dass sie die Probleme ihrer Freunde nicht mehr richtig verstehen könnten, weil sie nichtig im Vergleich zu vielen Problemen, wie zum Beispiel die herrschende Armut in Ecuador seien.
Zuvor hatte ich mich nicht wirklich mit diesen Themen auseinander gesetzt. Ich war an den Punkt angekommen, wo ich all das, was ich mir für mein Auslandsjahr vorgenommen hatte erreicht hatte und ich mich einfach nur darauf freute, wieder zu hause zu sein. Aber als die Mitfreiwilligen darüber sprachen machte auch ich mir so meine Gedanken.
Zu Hause angekommen dachte ich zunächst, dass der Kulturschock ausbleiben würde, ich hatte auch keinen Jetlag und die Bedenken vom Seminar waren fast verschwunden, als ich mit einer Freundin, die bereits am Studieren ist, chattete. Wir wollten einen Termin ausmachen, um uns das erste Mal nach meinem Auslandsjahr wiederzusehen. Der Termin wurde jedoch bereits zwei Mal verschoben, weil meine Freundin für die Uni lernen musste oder sich um einen Praktikumsplatz bemühte. Natürlich verstand ich, dass das wichtige Dinge waren, aber ich fand es übertrieben, dass sie dadurch lange keine Zeit fand, um sich mit mir zu treffen. Ich konnte ihre Situation und den Stress den sie damit verband irgendwie nicht richtig nachvollziehen. Sie befand sich einfach in einer ganz anderen Situation als ich.

Insgesamt kann ich sagen, dass es ein tolles Jahr war. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und sehr viel dazu gelernt. Auch die Seminare empfand ich als sehr hilfreich. Besonders die Seminare in Deutschland waren sehr lehrreich für mich. Ich konnte mich mit vielen gleichaltrigen motivierten Menschen austauschen und viel über deren Gastländer erfahren. Des Weiteren wurde bei den Seminaren über verschiedene Themen diskutiert und mir wurden neue Denkanstöße gegeben.
Außerdem möchte ich an dieser Stelle noch sagen, dass ich das „Weltwärts-Programm“ trotz der vielen Kritik seitens der Presse und verschiedener Personen, die ich auch teilweise nachvollziehen kann, als große Chance empfunden habe. Ohne dieses Programm wäre es mir nicht möglich gewesen mein Auslandsjahr in dieser Form zu erleben. Ich finde man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass „Weltwärts“ keine Entwicklungshilfe, sondern ein Lerndienst ist - und gelernt habe ich in diesem Jahr eine ganze Menge!                  

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